Maikis erste Geschichte ist fertig… entstanden aus euren Sätzen und Gedanken zum Thema „Frühling“. Die Leichtigkeit des Lenzes trifft in der Story auf ein persönliches Schicksal.
Mit der Geschichte möchten wir etwas Neues ausprobieren. Ihr bekommt die Möglichkeit, durch eure Kommentare an einer Geschichte mitzuwirken. Was dabei entsteht, entspringt unserer Kreativität und ist frei erfunden. Welche Emotionen und "Verbindungen" die Geschichte bei euch weckt, entscheidet eure Fantasie!
Neuanfang in Krokusgelb
Ich träume noch. Der Raum wächst. Ich spüre die Bewegung. Der Rest ist dichte Dunkelheit. Es ist nur zu erahnen: durch die Ecken und Nähte der Wände rieselt Licht zu Boden. Winzig kleine Partikel, ein Flimmern, das nicht zur Ruhe kommt. Ich spüre meine Beine nicht, nicht meine Hände. Mein Körper fühlt sich losgelöst, leer und unwirklich an. Ich scheine zu liegen, vielleicht schwebe ich auch. Und atme. Das kann ich hören. Zug um Zug lausche ich in mich hinein; ziehe ich ein wie in ein Haus und trete wieder aus mir heraus. Züge ganz ohne Schienen, denke ich zögernd: Züge auf einem Schachbrett, das der Wind bespielt. Die schwarze Dame hat mich geschlagen. Ich habe mich vor meinen weißen König gestellt und erinnerte mich. Ich erinnere unsere Schritte, wie sie früher gemeinsam durch die Schatten tappten. Jetzt haben das meine Augen übernommen. Sie suchen Orientierung. Einen Halt für die Haltlosen, ein Festklammern am Nichts, eine Leere, die als Lehrerin, aber nicht als Freundin taugt. Denn Düsternis ist eine Bürde, die keiner allein tragen sollte. Dieser Gedanke schnellt durch meinen Kopf. Ich möchte die Mauern einreißen und hinaus ins Helle treten. Vielleicht wieder meinem Hobby frönen: Vogelhäuser bauen. In die ziehen Meisen ein oder Finken. Ich liebe das Vogelgezwitscher, vor allem seitdem es mich bei Sonnenaufgang wieder aus dem Schlaf holt.
Träume ich noch? Mein König ist wach. Er steht vor dem Baumarkt, wartend. Ich erkenne den Schriftzug, magische drei Buchstaben, als wäre er ganz in der Nähe. So groß und so grün. So brüstet sich der Frühling, der breitschultrig gegen den Winter in den Krieg zog. Dabei geht es doch nur um Etappensiege. Erst später um den Gewinn des Marathons. Für den Anfang würde es mir reichen, einmal wieder durch die Obstplantagen rund um Mügeln zu spazieren. Im Hintergrund, dort wo sich die schiefe Ebene des Himmels in die Landschaft bohrt, streckt sich die Varia-Esse auf ihre volle Länge. Auf dem alten Schornstein legen die Störche jedes Jahr fünf Eier. Ich bewundere ihre Stetigkeit, ihre Beharrlichkeit. Und wünschte, ich hätte sie auch. Wünsche sind da so viele noch: Noch einmal die blühenden Kirschbäume besuchen. Ihre zauberhaften weiß-rosa Blättchen in die Handflächen betten. Diesen Duft aufsaugen. Am Stamm einer alten Schattenmorelle lehnend, umkränzt von Tausend Kirschblüten, meinem Liebsten das Gedicht ins Ohr hauchen: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Im Tale grünet Hoffnungsglück…“
Ich träumte. Doch ein Rasenmäher rattert. Es klingt wie ein nahendes, anwachsendes Schnattern direkt am Ohr, das ich nicht mehr ausblenden kann. Die Rückholaktion funktioniert. Erwacht und hart gelandet im Hier und Jetzt geht es mir besser. Aber es ging mir nicht gut. Kein Tag ohne starke Kopfschmerzen. Kein Tag ohne ständiges Erbrechen. Kein Tag ohne extremen Schwindel. Seit Ende 2001, Anfang 2002 quälte mich mein eigener Kopf. Mit der Diagnose Kleinhirntumor erhielt das Unbehagen einen Namen, machte aber nichts besser. Erst einige Tage nach der Not-OP durfte ich wieder ins Grüne. Als Mensch zwischen verblühten Schneeglöckchen und Märzenbechern, neben Narzissen und Hyazinthen, deren Aromen mich einlullten wie ein Wiegenlied, fühlte ich mich getragen. Geborgen im Wohlgeruch des Seins. So saß ich dann im Garten der Klinik und weinte. Weinte, weil ich einen winzigen gelben Krokus sah. Seitdem ist er meine Lieblingsblume. Seither ist jeder Neuanfang für mich krokusgelb.
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